Empfehlungen zur Bewältigung von Unterrichtseinschränkungen
Während der extremen Unterrichtseinschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie haben Klassen- und Hauptfachlehrkräfte mehr als üblich zu tun, da sie ihre Lernenden am besten kennen und z.T. prüfungsrelevante Fächer unterrichten. Nebenfachlehrkräfte haben zu ihren Schülerinnen und Schüler kaum Kontakt, weil die Lernenden und Eltern eher den Fokus auf die Hauptfächer nehmen.
Insbesondere bildungsbenachteiligte Lerngruppen zeigen sich sehr betreuungsintensiv, da sie viel Unterstützung benötigen im Umgang mit Material und Arbeitsanleitungen und bei der zeitlichen Organisation. Sie erhalten wenig Hilfe aus dem Elternhaus und / oder verfügen nicht über die notwendigen technischen Voraussetzungen für das Lernen von zu Hause aus. Unser Augenmerk sollte in diesen Zeiten besonders diesen Gruppen und Lernenden gewidmet sein. Im Folgenden gibt es einige Vorschläge aus der Praxis, wie mit dieser Situation umgegangen werden kann.
Am Anfang steht die Kommunikation
Wie wir alle wissen, ist die Beziehung zu den Lernenden eine wesentliche Voraussetzung zum Lernen. Um den Kontakt zu den Lernenden zu halten, müssen zuerst Kommunikationswege zu ihnen gefunden werden. Die Kommunikation sollte so engmaschig wie möglich sein. Derzeit haben nur wenige Schulen ein gut funktionierendes Digitalsystem, über welches auch Lehrbücher, Arbeitsblätter usw. abrufbar und Aufgabenbearbeitungen einstellbar sind. So müssen andere Wege gefunden werden, regelmäßig mit den Schülerinnen und Schülern zu kommunizieren. Die Ermittlung derjenigen, die keine technischen Voraussetzungen haben, ist sehr wichtig, denn gerade sie müssen regelmäßig zumindest telefonisch kontaktiert werden.
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Die Einrichtung fester Telefonsprechstunden, in der die Lehrkräfte für Lernende telefonisch erreichbar sind, ist für alle hilfreich. Für einige Lernende ist es wichtig, dass sie regelmäßig zu einem bestimmten Termin angerufen werden.
- Was kann mit den Lernenden besprochen werden?
- Frage nach dem aktuellen Befinden
- Frage nach den technischen Möglichkeiten – welche Medien stehen dir zur Verfügung?
- Frage nach der Organisation – wie kommst du zurecht?
- fachlicher Austausch
- Frage nach benötigter Unterstützung – welche Hilfe kann ich dir geben?
- Absprache von individuellen Stundenplänen bei denjenigen, die die Eigenorganisation nicht bewältigen können. Dazu ist es sinnvoll, die Lernenden und deren Eltern nach dem Tagesablauf zu fragen um die Lernzeiten effektiv darin einzubinden. Viele Schülerinnen und Schüler können das nicht alleine, deswegen sollte der Tagesablauf mit ihnen durchgegangen und dann die Arbeitsstunden festgelegt werden. Bei einigen ist es notwendig, dies immer wieder zu überprüfen. Sobald der äußere feste Schulrahmen fehlt, fällt es schwer, diese Disziplin im familiären Bereich aufzubringen.
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Lernende, die nicht über Telefon oder digitale Medien erreichbar sind, können durch direkten Kontakt (über die reduzierten Stunden in der Schule) oder per Post bzw. Vorbeibringen der Aufgaben und Abholung der bearbeiteten Aufgaben erreicht werden. Denkbar ist auch eine Art Briefkastensystem auf dem Schulhof – ein Kasten pro Klasse zum Einwerfen der bearbeiteten Aufgaben und einer zur Abholung der Aufgaben. Dieses System eignet sich besonders in Schulen, deren Schülerschaft überwiegend fußläufig die Schule erreichen kann.
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Die meisten der Lernenden bzw. ihre Eltern sind über ein Handy, oft über WhatsApp erreichbar. Aus rechtlichen und Sicherheitsgründen ist dies nicht zu empfehlen.
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Leider gibt es vielfach keine Alternative zu WhatsApp. Bevor der Kontakt zu Lernenden ganz abbricht oder der Aufwand zu groß wird, sie auf anderem Wege zu erreichen, kann man dieses Medium vorübergehend nutzen. Es sollte sich bei dem individuellen Kontakt jedoch auf das Versenden von Arbeitsanweisungen und anderen Materialien beschränken. Persönliche Kommentare müssen über andere Wege zu den Lernenden gelangen (Telefon, Post, persönliche Überbringung…). Der Gruppenchat über WhatsApp ist nicht zu empfehlen, hier bieten sich andere, sicherere Eins-zu-eins-Verbindungen an (Link dazu, s.u.).
- Wenn demnächst Tablets / Laptops an Schülerinnen und Schüler ausgegeben werden, sollten dringend sicherere Wege des Informationsaustauschs genommen werden. Emails sollten die Hauptkommunikationsader sein – dies schult das Lesen und gleichzeitig die Auseinandersetzung mit professionellen Adressaten, wobei auch gleichzeitig das Schreiben von ganzen Sätzen, höfliche Ansprache und Verabschiedung trainiert werden.
- Ein vom HKM empfohlener Videochat ist z.B. meet jit.si (https://meet.jit.si). Dieses Programm kann auch über den Freifunk München (https://meet.ffmuc.net/), einem deutschen Server, der ständigen Sicherheitskontrollen unterliegt, problemlos auf jedes Handy und PC heruntergeladen werden. Dieses Programm hat den Vorteil, dass man sich wie im Klassenraum sehen kann und gleichzeitig direkt am Dokument (wie an einer Tafel) Sachverhalte erklären und für alle sichtbar machen kann. Das Programm ist nicht immer zuverlässig in der Qualität, erfüllt aber seinen Zweck und ist dafür sicher. Die Handhabung ist einfach. Die Videochats sollten terminiert werden, die Bildung von Kleingruppen bis zu fünf Lernenden bietet sich hier an.
Teambildung mit den in den Klassen unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen ist unerlässlich
Der Arbeitsaufwand ist für diejenigen, die Klassen leiten oder in einem Hauptfach unterrichten, in solchen Krisenzeiten deutlich höher. Dabei ist die Arbeitsbelastung häufig ungleich verteilt. Kolleginnen und Kollegen, die nicht viel konzipieren oder korrigieren müssen, können durch eine Teambildung in das Geschehen eingebunden werden. So bietet sich an, alle in einer Klasse unterrichtenden Lehrkräfte zu einer gemeinsamen Besprechung per Videokonferenz einzuladen. Die Schulleitung sollte bei der Zusammenstellung der Teams unterstützen und steuern, damit wiederum nicht einzelne Nebenfachkolleginnen oder -kollegen gleich in mehrere Teams eingebunden werden.
Strukturen aufbauen
Es ist sinnvoll, sich in grundlegenden Dingen abzusprechen, damit die Lernenden eine Transparenz bekommen und keine bzw. keiner „verloren“ geht.
- Adressliste erstellen: Von Eltern, Schülerinnen und Schüler müssen Adressen, Telefonnummern, Handynummern und möglichst Email-Adressen in einer Liste aktualisiert werden.
- Erreichbarkeit: Hilfreich für die SuS ist auch, dass sie eine Übersicht bekommen, wann welcher Lehrende zu erreichen ist – hier kann eine Art Stundenplan erstellt werden, damit sich die Sprechstunden auch nicht überlagern.
- Jour fixe: Damit die Kollegen sich aktuell austauschen können, sollten sie sich regelmäßig zu einer Videokonferenz treffen.
Kontakt zu den Schülerinnen und Schüler
- Wer kümmert sich um welche Lernenden? Damit die SuS gleichbleibende Ansprechpartner haben, sollte überlegt werden, welche Kollegin oder welcher Kollege eine Art Patenschaft für welche Lerngruppe übernimmt. Die Fachlehrkräfte stehen für spezifische Fragen in den Sprechstunden zur Verfügung.
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Was tun, wenn die Familien nicht zu erreichen sind? Geschieht dies über einen längeren Zeitraum, muss die Schulleitung informiert und ggf. außerschulische Beratung hinzugezogen (z.B. Jugendhilfe / Jugendämter) oder das Staatliche Schulamt einbezogen werden (z.B. Schulpsychologie oder schuljuristische Beratung).
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Erstellung gemeinsamer Wochenpläne aller in der Lerngruppe unterrichtender Lehrkräfte Damit werden Aufgaben gebündelt, Über- und Unterforderungen vermieden und Lernende bzw. ihre Eltern können sie zuverlässiger in ihren Tagesablauf einordnen. Die Zusammenstellung des Wochenplans kann wechselseitig geschehen bzw. auf die Lehrkräfte verteilt werden, die weniger unterrichtsaktiv sind.
Art der Aufgaben: Die Aufgaben sollten so auf die Lerngruppe abgestimmt sein, dass die SuS möglichst eigenständig mit den Aufgaben zurechtkommen können. Hier ist auf altersgerechte bzw. sprachsensible Texte zu achten. Die Sprache in den Lehrbüchern ist oft schwer verständlich und zu kompliziert.
Korrektur der Aufgaben: Zeiten der Schulschließungen und Unterrichtseinschränkungen sind gute Gelegenheiten, das selbstständige Arbeiten zu fördern. Lehrkräfte können nicht von jedem einzelnen ihrer Lernenden regelmäßig alles kontrollieren. Hier bietet es sich an, zu allen Arbeitsaufträgen nach Abgabedatum Lösungen mitsamt Lösungswegen / notwendigen Gedankengängen / Begründungen in altersgerechter, verständlicher Sprache bereit zu stellen, um sicher zu gehen, dass die Lernenden die Texte auch verstehen. In einem zweiten Schritt werden die Lernenden dazu angehalten, mithilfe dieser Lösungen ihre Schriftstücke zunächst erst einmal selbst zu korrigieren und zu Themen Fragen zu formulieren, die nicht verstanden wurden. Erst danach kontrolliert die Lehrkraft und bespricht mit den Schülerinnen und Schülern die Fragen. Dies hat den Effekt, dass diese die eigenen Arbeiten noch einmal anschauen und die Themen auf diese Weise vertieft werden. Hierbei können sich Lehrkräfte untereinander abwechseln und unterstützen, um die unterrichtenden, beratenden, begleitenden und erziehenden Tätigkeiten auf alle Lehrkräfte einer Klasse oder Lerngruppe zu verteilen.
Nutzung von kleinen Lehrfilmen oder Lernvideos
Auf YouTube gibt es zahlreiche Lernvideos oder kleine Lehrfilme. Sie haben den Vorteil, dass sie je nach Bedarf immer wieder abgespielt werden können und somit für die Schülerinnen und Schüler eine abrufbare Informations- und Erklärungsquelle darstellen. Allerdings sind die im Internet ausgestrahlten Lernvideos nicht immer in altersgerechter Sprache formuliert und selten materialgestützt, so dass Lernende nicht immer davon profitieren können.
- Erstellung von Lernvideos
Dies benötigt heutzutage keinen großen Aufwand mehr. Zudem handelt es sich hierbei um nachhaltiges Lernmaterial, das auch in normalen Schulzeiten zur Freiarbeit und für das Üben zu Hause immer wieder von Lernenden genutzt werden kann. Ganz nebenbei lernen Kinder und Jugendliche ihr Handy oder ihr Tablet / Laptop auch für professionelle Zwecke zu nutzen.
- Unterstützung durch Universitäten und Studienseminare
Hier empfiehlt es sich, mit Universitäten und Studienseminaren Kontakt aufzunehmen. Für Lehramtsstudierende im Praktikum oder Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst können dies willkommene Anlässe sein, ihre mediale Kompetenz gewinnbringend einzusetzen und darüber mit erfahrenen Lehrkräften in fachlich-didaktischen Austausch zu kommen.
- Zum Beispiel: Mathematik
Jede Krise bietet die Möglichkeit, die gemachten Erfahrungen auch im Anschluss an diese Zeit zu nutzen. Alle hier genannten Empfehlungen können auch im normalen Schulalltag angewendet werden. Sie dienen dazu, das eigenverantwortliche Lernen der Schülerinnen und Schüler mit Beratungsformaten aller Art zu unterstützen.
Chance für die Zeit „danach“
Jede Krise bietet die Möglichkeit, die gemachten Erfahrungen auch im Anschluss an diese Zeit zu nutzen. Alle hier genannten Empfehlungen können auch im normalen Schulalltag angewendet werden. Sie dienen dazu, das eigenverantwortliche Lernen der Schülerinnen und Schüler mit Beratungsformaten aller Art zu unterstützen.